„Ich will ja kein Rassist sein, aber…“.

Diese Formulierung höre ich oft von Menschen in meiner Umgebung. Selbst ich habe es von mir behauptet. Aber geht es überhaupt? Kann ich, können wir, die wir in der westlichen europäischen Welt als WEISSE Menschen geboren, aufgewachsen und sozialisiert sind, für uns in Anspruch nehmen, kein*e Rassist*in zu sein?
Mit unserer deutschen Vergangenheit? Mit unseren Stereotypen und Vorurteilen anderer Menschen und anderen Kulturen gegenüber? Mit unseren Ressentiments gegen Menschen, die nicht so sind wie wir. Die wir als fremd betrachten – also nicht so wie wir sind (wer sind wir überhaupt?) – und die nicht unsere Gebräuche und Werte teilen, sondern andere haben? Sind wir offen genug gegenüber denen, die einen anderen Glauben und / oder einem anderen sozialen und kulturellen Umfeld entstammen? Und wann bin ich überhaupt Rassistin und kann ich nicht „Nicht-Rassistin“ sein?

 

Diese Fragen beschäftigen mich und umso mehr ich mich damit auseinandersetze, desto mehr komme ich zu der Überzeugung, dass auch ich Rassistin bin. Ja, es klingt drastisch und keine*r mag es von sich behaupten (wie in meinem Anfangssatz geschrieben), aber kann ich mich meinem eigenen Rassismus überhaupt entziehen? Ich behaupte immer von mir, offen, tolerant, neutral, respektvoll und freundlich jedem Menschen gegenüber zu treten. Und ja, das tue ich auch! Ich habe als Au-Pair in Québec/Montréal in einer Gastfamilie gelebt, in der der Vater SCHWARZ war. Ich habe in Ghana und Uganda gelebt und gearbeitet. Ich bin die Witwe eines Ghanaers, den ich sehr liebte und ein Großteil meiner Freunde sind Menschen afrikanischer Herkunft. Ich habe etliche Anti-Rassismus-Seminare besucht und lese alles über Kolonialismus, Rassismus etc. was ich in die Finger bekomme. Ich selbst gebe Workshops zu diesen Themen… Und dennoch – Rassismus steckt mir im Mark meiner Knochen und in meinen Genen. In den Strukturen in meinem Lebens- und Arbeitsumfeld. In den Institutionen und in der Gesellschaft um mich herum sowie in der Wissenschaft und Forschung. Rassismus ist Teil unseres Systems. Auch die neuen Technologien haben gezeigt, dass sie „rassistisch“ sind, da sie meistens von (alten) WEISSEN (Männern) programmiert und entwickelt wurden. Probiere es mal aus, z.B. bei Chat GPT.

Sehr wahrscheinlich bin ich durch meine Weiterbildungen und Lektüren „nicht so rassistisch“ wie andere. Aber geht das überhaupt? Gibt es Rassismus in Abstufungen? Wahrscheinlich nicht. Denn entweder ist man rassistisch oder nicht. Wichtig finde ich jedoch, dass ich den Rassismus – auch meinen eigenen – erkenne und reflektiere. Dennoch ertappe ich mich, dass bestimmte Denkmuster seit meiner Kindheit immer noch vorhanden sind, die abzustreifen immer noch schwierig sind. Diese möchte ich an dieser Stelle nicht aufzählen. Wie die Schlange aus ihrer Haut muss auch ich mich davon nach und nach lösen. Aber wichtig an dieser Stelle scheint mir, den Rassismus ganz klar zu benennen und auch darüber sowohl im persönlichen Umfeld als auch Öffentlich zu sprechen. Laut zu sein, wenn andere offen Rassismus zeigen und sich gegen Rassismus einzusetzen und zu demonstrieren. Ich bin mir meiner Privilegien bewusst. Dazu gehört auch, meine Meinung äußern zu können und sich gegen Menschenrechtsverletzungen, wie Rassismus, einzusetzen.

Warum das wichtig ist? Weil Rassismus menschenverachtend und asozial ist und er gefährdet unsere Demokratie! Unsere Gesellschaft verliert durch ihn die Errungenschaften der Vielfalt und unsere Solidarität. Rassismus macht uns zu engstirnigen und grauenhaften Zombies.

Und zu guter Letzt: Weil ich meine SCHWARZEN Freund*innen schätze und liebe! Und ich jeden Tag von Ihnen lerne, wie wir die Welt gemeinsam ein Stückchen besser machen können.